Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW 47 18.11. - 24.11.2024

Please, Save Yourself

Artist: 
Mira Lu Kovacs
Erschienen: 
08.11.2024
Label: 
Play Dead Records / Ink Music

Mit 25 ist man das Kind seiner Zeit. Was man sich an diesem Punkt nicht vorstellen kann: Die Entwicklung, die man in den nächsten zehn Jahren durchlaufen wird. Der Durchbruch, der sich erst auftut, nachdem man eine unüberschaubar lange Zeit an der eigenen Rettung gearbeitet hat. Please, Save Yourself ist das Ergebnis einer Selbstermächtigung und der Appell zu tun, was dir niemand abnehmen kann. Nach zehn Alben und zahlreichen Features und Kooperationen in elf Jahren hat sich bei der Sängerin, Singer-Songwriterin, Komponistin und Produzentin Mira Lu Kovacs eine nie dagewesene Ruhe ausgebreitet. Es war immer schon so, dass man mit ihrer Musik die Welt leichter ertragen konnte, jetzt aber startet die Ausnahmemusikerin in die nächste große Etappe. Please, Save Yourself ist eine schwebende Intervention, ein Ausstieg aus der Abwärtsspirale, das Ziehen einer gesunden Linie zwischen Eigen- und Fremdverantwortung und letztlich - mit allen Schwierigkeiten - ein Katapult in die Love Zone.

So ausgecheckt Musik zu machen und dabei so eingängige Songs zu schreiben - Please, Save Yourself läuft als Album in einem Zug durch und gerät in Dauerschleife. Mira Lu Kovacs fabriziert verflucht schöne Musik und kennt die genaue Balance. Kein Song ist zu einfach. Kein Sound drängt sich auf. Da ist die Wärme, in die sie uns akustisch bettet, da sind die Kanten, die es braucht, um nicht platt zu werden. Ihre Musik verschwimmt hypnotisierend, springt von 100 auf 1, baut sich sorgfältig auf und landet im Grande Finale. Man möchte sich danach auf den Boden fallen lassen und für fünf Minuten nicht bewegen. Mit Manu Mayr am Bass (u.a, 5K HD, Schtum, TEARING) und Günther Paulitsch am Schlagzeug (Good Wilson, Mynth, My Ugly Clementine) hat Mira Lu Kovacs zwei hochsensible Musiker aus diametralen Ecken an der Seite, deren Spektrum von Experimenteller und Neuer Musik bis Indie und Synth Pop führt. Beide spielen keinen Ton oder Schlag zu viel. Die Kraft und der Sog der Songs entstehen gerade aus der  gemeinsamen minimalistischen Dichte und ihrem ausgefuchsten Timing.

Manu Mayr, mit dem Mira Lu Kovacs am längsten und öftesten von all ihren Kollaborateur*innen zusammengearbeitet hat und sich blind austauschen kann, hat Please, Save Yourself coproduziert. In Kovacs' erstem eigenen Studio haben sie einen High End Sound kreiert - mit analogem, greifbaren, räumlichen Charakter. Schlagzeug, Bässe, Gitarren, das gedämpfte Pianino - alles ausser Mira Lu Kovacs' Stimme klingt voll, weich, warm und rund, ist sehr nahe. Please, Save Yourself ist ungemein subtil und gefinkelt gearbeitet. Auch wenn man nicht weiss, dass man es hört, hört man es: Wenn Mira Lu Kovacs eine 50 Jahre alte japanische E-Gitarre extra für den Verzerrer verwendet, weil keine andere so gut auf das Effektpedal anspringt. Wenn sie mit einem kleinen, 25cm langen Gitarrenbogen die Stahlsaiten ihrer akustischen Wandergitarre streicht und so einen orchestralen Klang erzeugt, den man zuerst gar nicht einzuordnen weiss. In Hoffnung Angst Angst Hoffnung, dem einzigen Instrumentalstück der Platte, legt Manu Mayr noch gestrichene Kontrabass-Linien dazu. Es ist ein großes, episches Bild, das in dieser musikalischen Intimität entsteht.
Mira Lu Kovacs steckt Hals über Kopf in ihren Songs und weiss um die politische Dimension individueller Erfahrung. Die Lyrics von Please, Save Yourself lesen sich wie Mantras, um die Kurve zu kratzen. Die erste Single: Shut the fuck up and let go. Nobody teaches me how though. Nummer 8 am Album: Don’t stay in the pain. It’s okay to look away. Just for 10mins a day. Eines der Kernstücke: Please save yourself I don’t know how I would but I can’t, and you should, cause you’re good. Letztlich will man nicht mehr aufhören, absolutistische Aussagen, die bei dieser Künstlerin nie zu ernst zu nehmen sind, lauthals falsch mitzusingen, eine Minute zehn Sekunden lang: "I care for you I don’t care for anybody else"

(Text: Kristin Gruber)

Tracklist: 
1Hard To Watch
2Shut The Fuck Up And Let Go
3Save Yourself
4Disappear
5Hoffnung Angst Angst Hoffnung
6Pain Train
7I Care For You
8Make It Stop
9Fall Asleep Quickly

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