Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW 36 | 03.09. bis 09.09.2012

St. James Ballroom

Artist: 
Alice Francis
Erschienen: 
06.09.2012
Label: 
Universal

Das Album „St.James Ballroom“, klingt nicht so wirklich wie von dieser Welt. Chorsätze zwischen traditionellen Accapella-Arrangements und Doo-Wop schmiegen sich an deepe Bässe aus dem Hier und Heut “. Auf „Gangsterlove“ streiten sich Pizzicato-Geige und Zupf-Banjo bis Swing-Lady Alice Francis plötzlich zu rappen anfängt – und zwar gar nicht so lady-like, wie sie sich auf dem Cover präsentiert. Hätte es Salt’n’Pepa, TLC oder En Vogue schon zu Zeiten der Prohibition gegeben – wie Alice Francis auf „Get A Wiggle“ hätten sie wohl auch gern geklungen.

Dass Fräulein Francis aber auch ganz anders kann, zeigen nicht zuletzt die ruhigeren Nummern auf dem Album – wie zum Beispiel „Sandman“ und „Cakes & Applepies“. Balladesk ist daran allerdings wenig. Was bei „Sandman“ anfänglich noch in Richtung Schlaflied weist, entpuppt sich nur wenig später als wortspielerische Verruchtheit aus der Cole-Porter-Schule. Francis singt mit ebenso viel Luft in der Stimme wie die Monroe, ganz nah am Mikrofon. Und wenn am Ende Waldemar Parras Lippenposaune aufspielt, will man gar nicht mehr so genau wissen, wie der Sandmann Fräulein Francis in den Schlaf gesäuselt hat.

Zusammengehalten werden all diese höchst unterschiedlichen Einflüsse, die von Pop, über HipHop bis Elektro und Latino alles inkorporieren, so lange es mit der 20er Ästhetik vereinbar ist, von Goldielocks klarem Sounddesign und der unverwechselbar vielseitigen Stimme Alice Francis’. Kopf oder Bruststimme, Swingen oder Rappen, Scatten oder Röhren – Miss Flapperty schüttelt’s aus dem linken Stimmband. Dass sie en passant Irving Berlins „Puttin On The Ritz“ zitiert und ihren Gesang auch sonst geschickt mit Details aller Art dekoriert, zeigt nur, wie wohlinformiert sie aus dem reichhaltigen Repertoire von damals schöpft.
Wie sehr Alice Francis mit ihrer Version des Neo-Charleston den Nerv der Zeit trifft, kann keiner so gut beurteilen wie Parov Stelar. Als DJ und Produzent ist er der mit Abstand einflussreichste Protagonist der Neo-Swing Bewegung, die sich weltweit anschickt, zur nächsten großen Jugendbewegung zu werden. Die Tatsache, dass er, der diese Szene wie kein anderer verkörpert und repräsentiert, von Alice nicht einfach nur begeistert war, sondern auch noch eine Remix-Zusammenarbeit für die erste Single „Shoot Him Down!“ anbot, sagt alles. Interview mit Alice: http://www.freefm.de/node/11630

Frühere Platten der Woche