Wer wir sind
und was wir tun.

Freie Radios

"Die Luft hat nur einen Gebrauchswert für Dich, durch den Rundfunk wird dieselbe zur Ware, wird zum Transportmittel. Wer darf nun den Äther als Transportmittel benutzen? Der Äther ist Allgemeingut aller Menschen." (Mitteilung des Arbeiter-Radio-Clubs, 1925.)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde eingeführt um die Informations-Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern. Nach den geschichtlichen Erfahrungen war es dabei wichtig die Freiheit des Rundfunks zu gewährleisten. Doch schon in der Weimar Zeit hatte Berthold Brecht in seiner Rede über die Funktion des Rundfunks (1932) kritisiert, dass der Rundfunk noch weiter demokratisiert werden müsse, indem „das Publikum nicht nur belehrt [wird], sondern auch belehren muß“. Dazu solle der Hörerende die Möglichkeit haben, sich in einen Sender verwandeln zu können.

In den 80er Jahren mussten viele Bürger*innen feststellen, dass über ihre Anliegen nicht berichtet wurde. Z. B. die Bewegung der Umweltschützer*innen war den Programmleitern lange ein zu heißes Eisen. Die Bürger*innen forderten daher ihr Recht auf freie und vor allem gleichberechtigte Meinungsäußerung und gründeten freie Radios, meist als Piratensender. Als die Moderatoren und Moderatorinnen den stundenlangen Autofahrten und Waldwanderungen im Wettlauf mit Polizei und Post überdrüssig wurden, setzten sie sich für die Legalisierung der Radios ein. Bundesweiter Vorreiter war Radio Dreyeckland (RDL) in Freiburg.

Die Piraten sind los: RDL Plakat: Die Piraten sind los Hört, Macht, Unterstützt Freie Radios: RDL Plakat: Hört, Macht, Unterstützt Freie Radios Radio Z: Das subversive Hörvergnügen

 

Kein Kommerz auf Megahertz!

(RDL Slogan Ende der 80er Jahre)

Für die kommerziellen Sender dagegen ist Hörfunk eine Ware. Damit sie sich rechnet, muss sie vermarktet und verkauft werden, wie Waschmittel oder Schokoriegel: Deshalb unterscheiden sich die einzelnen Sender inzwischen kaum mehr voneinander. Nicht das Außergewöhnliche, sondern Unkompliziertes gewinnt das Rennen auf dem Markt. Letztendlich ist aber – wie bei Spüli und Zahnpasta – überall fast dasselbe drin und gekauft bzw. gehört wird nach Gewohntheit.

Aus Verzweiflung Gut

(Radio Z Slogan der 90er Jahre)

Der nichtkommerzielle Rundfunk ist heute die einzige wirkliche Alternative: Hier wird experimentiert mit schrägen und neuen Klängen, die kein Ohr gewohnt ist. Hier finden fremde Sprachen eine Heimat und Kinder kommen an die Macht des Mikros. Gruppen und Einzelpersonen haben eine Plattform um ihre Themen einem breiteren Publikum vorzustellen. Nebenbei erhalten die Macher einen tiefen Einblick in die Medienszenerie und lernen Informationen einzuordnen und zu bewerten. Sie finden sich in der heutigen Informationsflut besser zurecht.

Gegen Stumpfsinn und Langeweile auf dem Äther

(Erster Slogan von Radio free FM Anfang der 90er Jahre)

Radio free FM ist kein Einzelfall: Bundesweit arbeiten die freien Radios im Bundesverband freier Radios BfR e. V. zusammen und weltweit im Dachverband AMARC.

Anfang der 90er Jahre haben sich die baden-württembergischen Radioinitiativen zur Assoziation freier Gesellschaftsfunk AFF e. V. zusammengeschlossen um:

  • ihre Interessen gegenüber Dritten zu vertreten,
  • Erfahrungen und Programmbeiträge auszutauschen und
  • um gemeinsame Konzepte, z. B. für die Ausbildung zu erarbeiten

Eine Lanze für die freien Radios brechen

(Koalitionsvertrag Baden-Württemberg 2011-2016)

Gute Senderstandorte sind rar und die Finanzkapazität von Mobilfunkunternehmen um ein vielfaches besser, als die der freien Radios. Technisch teure Entwicklungen wie DAB bedrohen die terrestrische Empfangbarkeit der Nichtkommerziellen auch in Baden-Württemberg. In vielen europäischen Staaten und deutschen Bundesländern gibt es politisch keine Lobby für freies Radio und damit fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen für den Bürgerzugang zum Hörfunk. Die Globalisierung fördert gleichzeitig die Entstehung von Medienmonopolen, was eine gleichberechtigte Meinungsäußerung mehr und mehr erschwert.

2006 wurde daher das CMFE (Community Media Forum Europe) gegründet um die Anerkennung der Community Medien als eigenständigen dritten Mediesektor in Europa zu etablieren. Erste Erfolge zeigten sich am 25. September 2008: Das Europäische Parlament hat sich mit überwältigender Mehrheit für die Unterstützung von Community Medien ausgesprochen und die nationalen Regierungen aufgefordert den Status der Community Medien entsprechend zu verbessern. Die Europäische Ministerkonferenz hob die Rolle der Community Medien ebenfalls hervor und hat sich in einer eigenen Erklärung am 11. Februar 2009 der Forderung angeschlossen.

Zum Machtwechsel in Baden-Württemberg tauchten die freien Radios erstmalig in einer Zielformulierung einer Regierung auf: Die grün-rote Regierung versteht Einmischung der Bürgerinnen und Bürger als Bereicherung und befindet: "Unverzichtbar in einer pluralistischen Gesellschaft sind die Bürgermedien, die nichtkommerziellen Freien Radios." (Koalitionsvertrag 2011). Die freien Radios hoffen jetzt, dass die Europäischen Vorgaben umgesetzt werden und sich die Bedingungen für freies Radio verbessern.

 
Freie Radios in Baden-Württemberg
http://www.aff-bawue.org
Bundesverband freier Radios
http://www.freie-radios.de/
Community Media Forum Europe
http://cmfe.eu
Weltverband Amarc
http://www.amarceurope.eu