Kriminalisierung, Medizinisierung und Psychiatrisierung haben lange Zeit die gesellschaftliche Teilhabe geschlechtlicher und sexueller Minderheiten erschwert oder gar verhindert. Feindlichkeit gegenüber Homo- und Bisexualität, Trans- und Intergeschlechtlichkeit haben entsprechende juristische, medizinische und psychiatrische Normen geprägt: Sexuelle Handlungen mit Personen des „gleichen Geschlechts“ oder Tragen der Kleidung des „anderen Geschlechts“ haben zur polizeilichen Erfassung, Anklage oder Verurteilung und/oder zu medizinischer bzw. psychiatrischer Untersuchung, Diagnose und Behandlung geführt. Diese (Vor-)Geschichte der Heteronormativität hängt zudem mit der (Vor-)Geschichte des Sexismus und des Rassismus zusammen.
Trotz aller politischen Erfolge von LSBTTIQ-Bewegungen ist es wichtig, sich diese Geschichte (und teilweise noch Gegenwart) der Heteronormativität zu vergegenwärtigen. Neben großen Veränderungen im Strafrecht und in den medizinischen wie psychiatrischen Diagnoserastern, gibt es durchaus noch Kontinuitäten. Die Verhinderung der rechtlichen und politischen Gleichstellung wird noch immer mit Stereotypen zu begründen versucht, die aus dieser Geschichte stammen. Versatzstücke aus längst veralteten kriminologischen, medizinischen und psychiatrischen Theorien werden derzeit verstärkt von rechtspopulistischen, extrem konservativen und/oder fundamental religiösen Strömungen aufgegriffen und gezielt über alte wie neue Kanälen (einschließlich der sozialen Medien) verbreitet. Im Kampf gegen den Hass gibt es also noch viel zu tun.
Dr. Lüder Tietz, Ethnologe (M.A.) und Dipl.-Psychologe, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der CVO Universität Oldenburg, Trainer und Coach.