Gegen Stumpfsinn
und Langeweile

aus dem Äther.

NSU-Prozess

Urteilsverkündung Tag X

Nach mehr als fünf Jahren gibt es endlich ein Ende im NSU-Prozess: Beate Zschäpe (43) wird des zehnfachen Mordes für schuldig gesprochen. Das Oberlandesgericht München verurteilt sie zu lebenslanger Haft und stellt die besondere Schwere der Schuld fest. Das Strafmaß ist noch offen.Um 9:55 Uhr verkündet Richter Manfred Götzl (64) die Entscheidung - daraufhin gab es einen kurzen Applaus im Gerichtssaal.Zschäpe reagiert eiskalt: Sie nimmt das Urteil ohne Regung auf und hält ihre gefalteten Hände still auf dem Tisch. Es gibt zwar keinen Beweis dafür, dass Zschäpe an einem der Tatorte war. Die Anklage schreibt Zschäpe aber zu das sie eine maßgebliche Rolle bei der Tarnung des Trios spielt. Argumentiert wird so: “Sie hat alles gewusst, alles mitgetragen und auf ihre eigene Art mitgesteuert und mit bewirkt”. Dieser Argumentation folgte das Gericht nun mit dem Urteil. Die Sicherheitsverwahrung von Zschäpe wurde vom Gericht verzichtet.

Die Mitangeklagten wurden ebenfalls verurteilt.

Für Carsten S. wurde eine Jugendstrafe von drei Jahren verhängtDas Oberlandesgericht München sprach S. der Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig, verurteilte ihn aber nach Jugendstrafrecht, weil er zur Tatzeit noch Heranwachsender war. S. hatte gestanden, dem NSU die Ceska-Pistole übergeben zu haben, mit der die Rechtsterroristen später neun Menschen töteten.

André E. ist nicht des versuchten Mordes schuldig. Der Mitangeklagte wurde nicht im Interesse der Bundesanwaltschaft angeklagt. Das OLG verurteilte den 38-Jährigen lediglich wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung für zweieinhalb Jahre haft.

Holger G. unterstütze die NSU und wird aufgrund der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und für drei Jahre Gefängnis verurteilt.

Ralf Wohlleben wurde zu zehn Jahre Haft verurteilt. Er soll der NSU Waffen beschafft haben und zur Beihilfe zum Mord schuldig sein.

Informationen zum NSU-Prozess

Nach mehr als fünf Jahren Prozessdauer wird heute das Urteil im NSU-Prozess fallen. Vermutlich wird Richter Götzl hart urteilen. Und das wird vermutlich das volle Strafmaß für Beate Zschäpe sein: Lebenslängliche Haft mit besonderer Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung. So fordert es zumindest die Staatsanwaltschaft. Geklärt sind die Hintergründe der rassistischen Terroranschläge des sog. Nationalsozialistischen Untergrundes damit allerdings keineswegs.

Zwei Dinge oder mehr hat der NSU-Prozess bisher nicht aufgeklärt. Zum einen die Rolle, die der Staatsschutz dabei möglicherweise gespielt hat. Die Obfrau Martina Renner des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag von Thüringen stellte etwa fest, dass Akten des Verfassungsschutzes die zur Aufklärung dienen könnten, geschwärzt waren oder unter Verschluss bleiben. Zum anderen die systematische Bemäntelung merkwürdiger Zufälle – etwa den bis heute nicht aufgeklärten Polizist*innenmord in Heilbronn –, die auf einen solchen Zusammenhang deutet. Das lege, so etwa die Süddeutsche, ein merkliches Versagen der bundesdeutschen Justiz nahe.

Außerdem ist es Beate Zschäpe erfolgreich geglückt, ein mögliches neonazistisches Terrorumfeld (von dem höchstwahrscheinlich auszugehen ist) und konkrete weitere Mittäter des NSU – die es sehr wahrscheinlich gab und die vermutlich auch weiterhin ihr Unwesen treiben – aus dem Prozess herauszuhalten. Dafür wird sie wohl ihr nächstes und auch übernächstes Leben im Knast verbringen.

Eine Gerechtigkeit für die Nebenkläger, die Angehörigen, ist damit aber nicht gegeben. Ein fast bis ins Unendliche verlängerter Prozess, trotz erdrückender Indizienbeweise, und spitzfindige bis unverschämte juristisch verbrämte Ausfluchten der Verteidigung, fühlen sich jedenfalls nicht nach Gerechtigkeit an. Allerdings ist trotzdem noch kein Ende des "Prozesses" in Sicht, denn die strafrechtliche Aufarbeitung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" könnte nach dem Prozess vor dem Oberlandesgericht München dennoch weitergehen. Der Generalbundesanwalt führt seit Jahren Ermittlungsverfahren gegen neun weitere Beschuldigte.

Die Freien Radios berichteten regelmäßig über den NSU-Prozess und die NSU-Untersuchungsausschüsse in den Bundesländern.

Wer sich intensiver mit dem NSU-Prozess befassen mag, dem/der sei die Seite von NSU-Watch und insbesondere deren Podcast empfohlen. 

Aktuelle News über den Prozess vom Radio Bermudafunk.

 

 

Live-Übertragung am Tag X

Tag X Übertragung

Heute am 11. Juli übertragen wir von 07-22 Uhr die Verkündung des Urteils im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht . 

Für die Berichterstattung am 11. Juli anlässlich der Verkündung des Urteils im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht haben wir uns als Aktive mehrerer freier Radios zu einer überregionalen Redaktion zusammengetan. Wir wollen diesen Tag nutzen, um erneut auf die Dimension der Taten des NSU hinzuweisen. Dabei wollen wir der These der Staatsanwaltschaft – dass es sich beim NSU schlicht um ein Terror-Trio gehandelt habe – eine andere Sichtweise entgegensetzen. Die Taten des NSU wären ohne ein breites UnterstützerInnen-Netzwerk nicht möglich gewesen. Gleichzeitig ist dieses Netzwerk aus dem Verfassungsschutz heraus gefördert und geschützt worden, der darüber hinaus die Aufklärung über dieses Netzwerk im Nachhinein massiv behinderte. Die Taten des NSU sind schließlich eingebettet in eine gesellschaftliche Stimmung, die entweder selbst rassistisch oder diesem Rassismus gegenüber gleichgültig ist.

 

Am 11. Juli dieses Thema in den freien Radios zu platzieren heißt für uns: Eine klare antifaschistische Haltung zu zeigen, die Perspektiven der Opfer und Hinterbliebenen zu stärken und publik zu machen, staatliche Verstrickungen zu skandalisieren, institutionellen Rassismus und rassistische Stimmungsmache anzugreifen. Dies bedeutet auch: Die Urteilsverkündung darf nicht das Ende der Auseinandersetzung sein – die Taten des NSU und ihre Dimension sind noch lange nicht aufgearbeitet. Überhaupt kann diese Auseinandersetzung nicht enden, so lange Rassismus und Chauvinismus Teil der Gesellschaft sind und ähnliche Taten weiterhin möglich machen oder begünstigen.

 

Die Berichterstattung am 11. Juli organisieren wir als freie Radios, die im Bundesverband der Freien Radios (BFR) assoziiert sind. Als solche wollen wir aktiv am Abbau von Diskriminierungen arbeiten und stellen dieser das Modell der konkurrenzfreien, solidarischen Assoziation entgegen.

 

Das überredaktionelle Programm aus München wird von vielen freien Radios aus der BRD und Österreich gesendet.
Mit dabei sind:

 

Kein Schlussstrich heißt für uns: Dass die Aufmerksamkeit und Berichterstattung über den NSU-Komplex in den Freien Radios auch nach dem Ende des Münchner NSU-Prozess nicht enden wird.

10. NSU Sondersendung

Die 10. Sondersendung von Radio Lotte Weimar zum Ende des NSU-Prozesses in München werden wir am Freitag, den 19. Januar auch live in Ulm von 9 Uhr bis 13 Uhr auf der 102,6 MHz ausstrahlen.

Thematisch geht es um ein Resümee mit Blick auf die Qualität der Aufarbeitung und vor allem in Hinsicht auf die Angehörigen der Opfer, die Verstrickung staatlicher Behörden und um Möglichkeiten die Wahrheitsfindung auch nach Prozessende weiter zu verfolgen.

Live Gäste sind
Andreas Förster (Autor, investigativer Journalist)
Thomas Wüppesahl (Kritische Polizisten)
Steffen Dittes (Untersuchungsausschuss Thüringen, Linksfraktion)

Radio Lotte Weimar spricht zudem mit Dorothea Marx, Hajo Funke und dem Zentrum für politische Schönheit.

Friedrich Burschel: NSU - Blick in den Abgrund

Das nichtkommerzielle Radio Lotte Weimar verfügt über einen der begehrten Presseplätze zum Münchener NSU-Prozess und entsendet mit Friedrich Burschel einen Experten, der sich schon vor Enttarnung der NSU mit deren Umfeld beschäftigt hatte. Burschel hat sein Handwerk bei der Süddeutschen Zeitung gelernt und ist bei der Rosa Luxemburg Stiftung angestellt.

Seine Expertise zum Thema NSU wird mittlerweile bundesweit von Journalisten geschätzt. Friedrich Burschel begleitet jeden Prozesstag live und Radio free FM strahlt das Programm von Radio Lotte gemeinsam mit über 25 weiteren Sendern aus, denn während in München der NSU-Komplex als das Werk einzelner behandelt wird, bleibt es unsere Aufgabe den gesamtgesellschaftlichen Blickwinkel zu wahren und einen latent vorhandenen gesellschaftlichen Rassismus als Ermöglichungsgrundlage des NSU öffentlich in Frage zu stellen. „Es gibt immer noch viel zu wenig Ermittlungsverfahren gegen lokale Unterstützernetzwerke und es gibt keine gegen staatliche Helfer und Unterstützer ...“ fordert die Anklageschrift des bundesweiten Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“.

Mit dem in Kürze zu erwartenden Urteil wird daher die gesellschaftliche Aufklärung nicht beendet sein.

Dieser Vortrag von Friedrich Burschel im Club Orange der Ulmer Volkshochschule im Rahmen des Festival Contre le Racisme soll zu diesem Diskussions-Prozess beitragen.

Sondersendung vom "Tribunal NSU-Komplex auflösen"

Am Freitag, den 19. Mai 2017 wird ein Team von Radio LOTTE Weimar von 8 bis 13 Uhr live vom "Tribunal NSU-Komplex auflösen" in Köln berichten. Radio free FM übernimmt diese Sondersendung ebenfalls live auf der 102,6 MHz.

Das Tribunal ist hervorgegangen und wird getragen von dem bundesweiten Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“ sowie von einer Vielzahl von Personen, die sich aus unterschiedlichen Motiven gegen Rassismus engagieren wollen.

nsu-tribunal_logo

Bis heute sind wir weit von der versprochenen „lückenlosen Aufklärung“ im NSU-Komplex entfernt. Initiativen und Einzelpersonen, die mit den Betroffenen der NSU-Mord- und Anschlagserie solidarisch verbunden sind, entwickelten die Idee eines Tribunals, das diese Leerstelle besetzt. Der NSU-Komplex wird dabei gedacht als ein Kristallisationspunkt strukturellen Rassismus. Das Tribunal ist damit ein Ort der gesellschaftlichen Anklage von Rassismus. Die Berichte der Betroffenen und Angehörigen stehen im Mittelpunkt. Ihre Geschichte gilt es zu hören und zu verstehen. (Quelle: nsu-tribunal.de)

Sondersendung zum NSU-Prozess

Am Mittwoch, den 28. Mai 2014 von 7.00 bis 13.00 Uhr übertragen wir die dritte und sechsstündige Sondersendung zum NSU-Prozess von Radio LOTTE Weimar.

Diesmal wird wieder live mit der Senderikscha vor dem Münchner Oberlandesgericht gefunkt.

Dort erwarten die Redakteure zahlreiche interessante GesprächspartnerInnen.

Neben der Berichterstattung über das aktuelle Prozessgeschehen sollen die Themenschwerpunkte diesmal auf Menschen gerichtet sein, welche mittel- und unmittelbar mit dem Prozess zu tun haben.

NSU Verfahren Presse

So wird mit Vertretern der Nebenklage gesprochen, wie beispielsweise mit dem Rechtsanwalt Thomas Bliwier, der sich sicher ist, dass Beate Zschäpe ihr Schweigen brechen wird. Vielleicht ist auch Rechtsanwältin Anja Sturm, die die Hauptangeklagte verteidigt, dazu bereit, über ihre Arbeit zu sprechen. Ebenso soll mit Semia Simsek gesprochen werden, der Tochter des ersten NSU-Mordopfers.

Darüber hinaus wird der Fokus auf die mediale Verarbeitung des Prozesses, insbesondere im künstlerischen Bereich, lenken. Es gibt inzwischen ein Kammerspiel als Hörstück des SWR, wie auch ein interessantes Theaterstück, das bereits in München aufgeführt wurde.

Und schlussendlich gibt es rund um das Thema Verfassungsschutz noch einige Ungereimtheiten, die es zu beleuchten gilt.

Es werden auf jeden Fall wieder aufregende Stunden werden und wir hoffen, dass viele Menschen weiter am Thema bleiben!

Das nichtkommerzielle Radio Lotte Weimar ist ebenso wie Radio Lora München beim NSU-Prozess zugelassen und stellt seine Berichte auch allen anderen freien nichtkommerziellen Radios zur Verfügung.

Die Reise nach Jerusalem

Das Gerangel um die Presseplätze beim NSU-Prozess hat die freien Radios als unerwartete Nutznießer begünstigt. Die nichtkommerziellen Sender Radio Lotte Weimar und die polnische Redaktion von Radio Lora in München hatten Glück im Losverfahren. Große Zeitungen wie die FAZ, die Zeit oder der stern waren leer ausgegangen.

„Eine Frage der Einstellung, …"

Sich ergänzen und zusammenhalten - für die großen Verlage eher ungewohnt, bei den freien Radios dagegen eine täglich gelebte Authentizität. Während die Medienhäuser zunächst das gemeinsame Klagelied anstimmten, begann man bei Radio Lotte schon den Schulterschluss zu organisieren. Über die gewohnten Verteiler des Bundesverbands freier Radios wurden die nichtkommerziellen Kollegen eingeladen sich in der internen Mediathek zu registrieren.

Radio Lora speist seine Beiträge der Einfachheit halber gleich in das bestehende Austauschsystem ein: Man lädt mp3 auf freie-radios.net hoch – eine Plattform die einst von den freien Radios ins Leben gerufen wurde, um sich das Kopieren und gegenseitige Zuschicken von Audio-Cassetten zu ersparen. Und auch der große Bruder braucht mal Hilfe: Weil Radio Lora der taz in jeder zweiten Prozesswoche den Stuhl frei hält, stehen die taz-Experten im Gegenzug Radio Lora zur Verfügung.
 
 

Und damit freut sich auch Radio free FM über das ungewöhnliche Ergebnis des allgemeinen Pressestühle-Ringelrangel und sendet Beiträge von Radio Lotte und Radio Lora im Programm der Ulmer Freiheit.
 
 
NSU-Thread von Radio Lora
Austauschplattform freier Radios

Radio Lotte Weimar

NSU-Prozess abonnieren