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1.) Entartete Kunst , nat.-soz. Schlagwort für die gegen die Tradition und Konvention eingestellte moderne Kunst, die als..."artwidrig" verfemt wurde.

 2.) Entartung, a.) regelwidrige Ausbildung oder Rückbildung an Teilen eines Lebewesens, an Einzelwesen oder an Gruppen; b.) Erscheinung eines quantenmechanischen Systems, etwa eines Atoms, in der zur gleichen Energie zwei oder mehrere Bewegungszustände gehören.



Unsere Sendung genügt nicht den gängigen radiokompatiblen Grundsätzen. Wir beobachten zeitgenössische, populär-relevante Strömungen im Kontext unserer Hörerfahrung. Im Besonderen interessieren uns die Zwischenräume, das Niemandsland, die Nischen. Für uns ist Musik ein Klangerlebnis der Umwelt und als solches schicken wir sie seit Sommer `95 durch den Äther.

Ausgezeichnet mit dem Radio free FM Award 2009 – Goldenes Tonband

Sendungsblog

Uraufführung einer radiophonen Komposition von Andrea Ermke (Sounds) & Anaïs Tuerlinckx (Innenklavier)

Andrea Ermke & Anaïs Tuerlinckx I June 5, 2021 I Labor Sonor @ Theaterhaus Mitte I by Cristina Marx / Photomusix

Radio Free FM in Kooperation mit dem Stadthaus Ulm | 04.09.2022 - 20:00-23:00 Uhr

Andrea Ermke lebt und arbeitet als Musikerin in Berlin. Hier gehört sie seit den 1990er Jahren zum Kern dessen, was in Berlin Echtzeitmusik genannt wird und arbeitet mit mit Mini-Discs, Field-Recordings und ehemaligen Samples. Sie ist Mitglied diverser Bands, wie Sink (mit Chris Abrahmas, Arthur Rother und Marcello Busato), Tree (mit Burkhard Beins und Chris Abrahams) und Hianadara (mit Anaïs Tuerlinckx, Andrew Lafkas und Iganz Schick).

Die aus Brüssel stammende Pianistin Anaïs Tuerlinckx zog 2008 nach Berlin und ist seitdem Teil der lebendigen und vielseitigen berlinischen Musikszene, die sich der Improvisation widmet. In Ihrer Arbeit erforscht Anaïs Tuerlinckx das Innenklavier. Sie neigt zu einer eher körperlichen und ausladenden Spielweise, ihre Auftritte zeichnen sich durch Noise und harsche Sounds aus, suchen aber auch die eher elegisch-luftigen und weiten Räume. Mit ihrem Klavieraktivismus engagiert sie sich gerne auch außerhalb des Konzertsaals im öffentlichen Raum. Als Musikpädagogin unterrichtet Anaïs Tuerlinckx Improvisation an einer Musikschule.

Andrea Ermke und Anaïs Tuerlinckx spielen als Duo seit 2012. Die Verwendung von zufällig gefundenen Objekten war und ist ein zentraler Ausgangspunkt für beider musikalische Ansätze. Für eine Sonderausgabe der Sendung „entartet“ live aus dem Ulmer Stadthaus entwickelt das Duo eine radiophone Komposition. Die Aufführung kann live vor Ort im Stadthaus Ulm und parallel live im Äther bei Radio free FM verfolgt werden. Der Eintritt ins Stadthaus ist frei.

Seit 27 Jahren sendet „entartet“ auf Radio Free FM. „entartet“ beschäftigt sich mit gewöhnlichen und ungewöhnlichen Tönen.

Sonntag, 04.09.2022, 20:00-23:00 Uhr | Uraufführung 21:00-22:00 Uhr
Live im Radio: UKW 102,6 MHz | Kabel 97,7 MHz und 93,45 MHz | Webstream freefm.de
Live vor Ort: Stadthaus Ulm | Münsterplatz 50 | 89073 Ulm
Der Eintritt ins Stadthaus Ulm ist frei.

Das Konzert findet im Rahmen des Projekts "Radikal Lokal" von Radio free FM statt.

"Radikal Lokal" ist gefördert im Impulsprogramm „Kultur trotz Corona“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und durch die Jugendstiftung.

Foto: Andrea Ermke & Anaïs Tuerlinckx I June 5, 2021 I Labor Sonor @ Theaterhaus Mitte I by Cristina Marx / Photomusix

"Message Failed To Send" - Eine radiophone Komposition von THEA SOTI

Flyer Thea Soti

Im Auftrag der Redakton entartet entwickelte die multidisziplinäre Künstlerin Thea Soti die radiophone Komposition "Message Failed To Send". Diese untersucht, inspiriert vom Austausch privater Nachrichten mit einer Freundin und aufbauend auf einem Fundament aus Samples, die aus Sprachnachrichten an Thea Soti aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis und kurzen Interviews stammen, den Zusammenhang zwischen Intimität und moderner Interaktion durch soziale Medien, Chats und Instant Messaging. Im Mittelpunkt stehen dabei die Beziehungen zwischen Privatem und Öffentlichem, physischer und virtueller Präsenz, Interaktivität, Zusammengehörigkeit, Uneinigkeit, Selbst, Umwelt und moderner Technologie. Die Uraufführung des Radiostücks "Message Failed To Send" fand am Sonntag, den 12. Dezember 2021, von 21 bis 22 Uhr im Rahmen einer extralangen Sondersendung von entartet live im Jazzkeller Sauschdall statt.

"... Wie nah kann man sich im Internet kommen, wie werden virtuelle Beziehungen gelebt und wann beginnt man sich in den Untiefen des Social Media einsam gemeinsam zu verlieren? Thea Soti begab sich mit ihrer Komposition souverän zwischen die Schnittstellen von experimenteller Vokalkunst, Elektronik und Noise.
Spannend wie sie allein mit einem Mikrofon, ihrem Rechner und einem Controller im Gewölbe einen Sound-Kosmos ausbreitete. Durch Filter gejagte Stimmen und multiplizierte Vokallinien, Text-Collagen und Verdichtungen, ein Tasten über dunkle Flächen und ins pulsierende Licht – immer auf der Suche nach dem Herzschlag der digitalen Welt, die uns so freundlich umarmen will. Bisweilen war das schmerzhaft intensiv und schonungslos radikal, Thea Soti ist aber auch Songwriterin und kann Melodie. So durchlebten die 2G-plus-Geprüften im Sauschdall ein 1a Konzert, dass zum Ende hin mächtig Fahrt aufnahm und mit hintersinnigem Humor auftrumpfte."
Aus der Kritik zur Uraufführung von Udo Eberl | S.21 ULMER KULTURSPIEGEL | Südwestpresse vom Dienstag, 14. Dezember 2021

Thea Soti (HU / SRB), geboren in Subotica, der zweitgrößten Stadt der Vojvodina und nach Beginn der Jugoslawienkriege in Ungarn aufgewachsen, studierte Gesang und Komposition in Hannover, Köln und Luzern und lebt derzeit in Berlin. Sie arbeitet mit experimenteller Vokalmusik, elektronischem Sound, Installation, textbasierten Medien und Videokunst und bewegt sich damit an der Schnittstelle von aktueller Musik, Creative Jazz, Performancekunst und Improvisation.

In ihren Soloarbeiten verwendet Thea Soti digital bearbeiteten Sound, menschliche Stimme und Lyrik in verschiedenen Formaten. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Erforschung der menschlichen Stimme als Instrument und der Kombination von Improvisationsstrukturen, elektroakustischer Komposition und performativ-installativen Setups. In ihrem musikalischen Werk erforscht sie mittels der Dekonstruktion konventioneller Songstrukturen durch Abstraktion von Klang und Text die Grenzen von Sprache, Noise, elektronischem Klang und avantgardistischer Poesie. Ihre provokative Art, mit Worten, Melodien und Lärm umzugehen, öffnet dabei den Horizont für musikalische Abenteuer. Dem Konzept folgend, Musik, theatralische und visuelle Elemente in ein Gesamtkunstwerk zu bringen gehen Thea Sotis Stücke weit über das auditive Erlebnis hinaus, erforschen Orte und Bewegung und schaffen so dynamische Räume. Oft reflektiert Thea Soti in ihren Arbeiten aktuelle gesellschaftspolitische Themen wie Eskapismus, non- binäre Identitäten, Schönheitsmythen oder kollektive Angst.

Thea Soti ist Gründungsmitglied des europäischen Komponist*innenkolektivs SUNG SOUND, Teil des Künstler*innenkollektivs fx.LAB und Co-Kuratorin der experimentalmusikalischen Reihe STIMMUNGEN im Kölner Loft. Sie tourte international von New York über Paris, Kopenhagen, London, Budapest, Belgrad, Moskau und Marrakesch bis Tokio und wurde als Artist-in-Residence zu Sonoscopia, Porto, JAZZAJ/BMC Budapest, ans Balassi Institut, Brüssel und in die Cité des Arts, Paris, eingeladen.

Gefördert und ermöglicht wurden Thea Sotis Arbeit "Message Failed To Send" und ihre Aufführung im Jazzkeller Sauschdall durch die Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mit Mitteln aus dem Programm NEUSTART KULTUR und die freundliche Unterstzüzung der Kulturabteilung der Stadt Ulm

Links:

Thea Soti live im Jazzkeller Sauschdall
Thea Soti live im Jazzkeller Sauschdall
Thea Soti live im Jazzkeller Sauschdall
Die Redaktion entartet live im Jazzkeller Sauschdall

GERALD FIEBIG - Passagen. Werk für Walter Benjamin

[Am 30.08.2020 live @ Stadthaus Ulm + Radio free FM, am 20.09.2020 @ Radiofabrik Salzburg]

Nachstehende Besprechung von Rigobert Dittmann erscheint in Bad Alchemy 108

Eine radiophone Komposition, zum 80. Todestag von Walter Benjamin (1892-1940) in Auftrag gegeben für die Sendung "Entartet" von Christian Clement (ein Name, der bei Würzburgern Erinnerungen weckt an die 80er und ans alte AKW – ja, so klein ist die Welt).

Gerald Fiebig seinerseits ist eine eingeführte Marke, in Augsburg als Leiter des Kulturhauses Abraxas, als Macher von Gedichten (..."nach dem nachkrieg", 2017, "motörhead klopstöck", 2020) und von Radiostücken, durch Attenuation Circuit und bei Bad Alchemy durch zuletzt "Gasworks". Mit Hommagen an Luc Ferrari und Alvin Lucier verriet er etwas von seinen klangweltlichen Präferenzen, mit "Akustisches Denkmal für Walter Klingenbeck" (über einen vom NS-Regime ermordeten, 19-jährigen Widerstandskämpfer) oder "Wien 12.02.1934" (über das Niederkämpfen der österreichischen Sozialdemokratie durch die Austrofaschisten) positionierte er sich engagiert.

Bestärkt durch 'Exploding the atmosphere: Realizing the revolutionary potential of "the last street song"', Bruce Russells Beitrag zu "Reverberations – The Philosophy, Aesthetics and Politics of Noise", findet Fiebig in Benjamin die Gestalt, die ästhetische Fragen (Der Sürrealismus, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit...) besonders dia-gnostisch verknüpft hat mit ethischen (Über den Begriff der Geschichte, Theologisch-politisches Fragment...). Benjamin hat in sich mit seinen Denkbildern und kleinen Kunst-Stücken (Berliner Kindheit um neunzehnhundert, der Gestalt des Flaneurs, des erfahrungsarmen Nachkriegsbarbaren...) ja quasi Das abenteuerliche Herz und Der Arbeiter von Ernst Jünger mit Ernst Blochs Spuren und Erbschaft dieser Zeit vermittelt.

Fiebig liest Zitate aus den genannten, für Benjamin grundlegenden Texten, und Sätze aus dem "Passagen"-Fragment. Er lässt Benjamins Engel im Windkanal der Geschichte sich vergeblich gegen den Sturm stemmen, der vom Paradies her weht und eine Spur der Verwüstung zieht. Wo der Zug der Weltgeschichte in die falsche Richtung rast, wird der Griff nach der Notbremse zum revolutionären Akt und Leitmotiv. Fiebig stellt die Hörer dabei in Wind und Regen und mit Benjamin in eine Zeit, in der das Telefon noch als Alarmsignal klingelte oder dem Vater als Ventil für Donnerworte taugte, während er selber zum Hörer griff, um gebannt einer fremden Stimme zu gehorchen.

U-Bahn-Lärm und Noise zerren an den Nerven. Poes 'Man in the Crowd', dessen abrupte, fieberhafte Bewegungen die Maschinerie imitieren, die auch der Konjunktur und den Waren ihre Stöße versetzt, korrespondiert zu Fiebig'scher Bedröhnung mit dem entschleunigten Drogenrausch, dem sich der Baudelaire'sche Flaneur in Paris überlässt, und mit den Opfern der urbanen Berauschung, die Friedrich Engels im Gewühl von London registrierte. Der Lärmzug nimmt Fahrt auf für das Geprickel von Zitaten als unterbrochenem Zusammenhang und herausgeschlagener, vervielfältigter Überlieferung, eingedreht in Loops, als Cut-up montiert in ein musikalisches Potpourri mit Weimarkolorit.

Und mittendrin steht der in einem Kraftfeldzerstörender Ströme und den Erschütterungen der Warenwirtschaft zerrüttete Mensch, der ein paar Schraubendrehungen der Geschichte weiter, noch bequemer geworden als Benjamins 'Etui-Mensch', vom erträumten Ruin der Bourgeoisie und einer Veränderung der Eigentumsverhältnisse nichts mehr weiß. Der 'destruktive Charakter' ist von Benjamins nihilistisch-surrealistischem Wegbereiter und revolutionärem Umwälzer zum bloß noch reaktionären Hosenscheißer mutiert. Eine Blockflöte schreit erbärmlich, der Reistopf brodelt, kein Volk, kein Aas hört die Signale, die Klampfe ist verstimmt, kein Gassenhauer hat mehr verborgene Kräfte. Kein Wunder, dass ich Die Ordnung des Profanen hat sich aufzurichten an der Idee "des Clubs" höre, wenn Fiebig von Benjamins Idee des Glücks rappt. Denn der Feind hat zu siegen nicht aufgehört, und die Lokomotive rast ungebremst weiter. Entsprechend schrill der Alarm, um den katastrophalen Flow zu unterbrechen, damit es nicht ewig so weitergeht, barbarisch über die hinweg, die am Boden liegen.

Links:

 

Passagen. Werk für Walter Benjamin - 25 Jahre free FM und 25 Jahre entartet

Auf Einladung von Radio Free FM ist der Augsburger Tonkünstler Gerald Fiebig nach Ulm gekommen. Gerald Fiebig arbeitet seit vielen Jahren im weiten Feld der Audiokunst und der elektroakustischen Improvisation. Er produzierte bereits für den WDR, das Deutschlandradio Kultur, für BR 2, den ORF und andere Sender Audio-Kunstwerke , jedoch war es für ihn das erste Mal, dass seine Komposition Live im Radio während der Produktion übertragen wurde. Das Konzert wurde am 30.08.2020 ab 21.00 Uhr im Rahmen der Sendung „entartet“ live auf Radio Free FM übertragen. Die uraufgeführte radiophone Komposition „Passagen . Werk für Walter Benjamin“ gibt es in unserem Podcast zum nachhören und downloaden.

Die Uraufführung einer neuen radiophonen Komposition „Passagen. Werk für Walter Benjamin“. Das Stück wird speziell für diese Sendung entwickelt und erinnert anlässlich seines bevorstehenden 80. Todestags an Walter Benjamin – scharfsinniger Kulturtheoretiker und virtuoser Prosaautor, polemischer Literaturkritiker und visionärer Geschichtsphilosoph, messianischer Kommunist und antifaschistischer Kämpfer und nicht zuletzt medienbewusster Radiomacher. Das Stück verwebt Zitate aus Benjamins Schriften mit unterschiedlichen Klang-Szenen. Gerald Fiebig hat sich in verschiedenen Texten immer wieder auf Walter Benjamin bezogen, aber noch nie in einer akustischen Arbeit. Die Bezüge, die er in diesem Stück zwischen Benjamins Texten und seinen Sounds herstellt, sind teilweise inspiriert von dem Aufsatz „Exploding the Atmosphere: Realizing the Revolutionary Potential of ‚the Last Street Song'“, in dem der neuseeländische Noise-Musiker Bruce Russell experimentelle Sound-Praxis mit Bezug auf Benjamin und die Situationistische Internationale in einen politischen Kontext stellt.

Außer dem „Passagen-Werk“ (v.a. dem Konvolut N) werden u.a. folgende Texte Walter Benjamins zitiert:

  • „Über den Begriff der Geschichte“
  • „Das Telefon“ (aus der „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“)
  • „Der Flaneur“
  • „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“
  • „Was ist das epische Theater?“
  • „Erfahrung und Armut“
  • „Der Sürrealismus. Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz“
  • „Theologisch-politisches Fragment“

Links:
Gerald Fiebig Homepage

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Sonntags 22.00 – 23.00 Uhr

Redaktion

Christian Clement
Florian Wieland

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So., 26.03. | 22.00 - 23.00 Uhr