Gegen Stumpfsinn
und Langeweile

aus dem Äther.

Meine kleine Stadt: Kizis in der Homebase

Ein Radiosender der auf Sendungen anderer Sender hinweist, ist nicht gerade was man an dieser Stelle erwarten würde. Doch außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen:

Kinderzimmer ProductionsOhne Zweifel ist es etwas ganz Besonderes, wenn Musiker aus Söflingen vom Kultsender FM4 eingeladen werden, zusammen mit dem Rundfunk Symphonie Orchester des Österreichischen Rundfunks ORF (RSO) einen Auftritt im denkmalgeschützten Studio 2 des Funkhauses zu absolvieren. Beachtlich, wenn die Eingeladenen statt klassische Instrumente zu bedienen, „nur“ U-Musik machen. Ganz speziell, wenn es die Ulmer Band eigentlich schon längst nicht mehr gibt.
 

 
“Wir versuchen die beste Kinderzimmer Productions Cover Band der Welt zu werden.“

Selbstironisch grinsend kommentiert Henrik von Holtum aka Textor daher den allerallerletzten Auftritt in Wien. Nach der Auflösung im Jahr 2007 und dem allerletzen Auftritt im Dortmunder Konzerthaus wird das Duo inzwischen von manchem Blog als aktivste aufgelöste Band der Musikgeschichte bezeichnet.

Einer unbedachten Äußerung des Kinderzimmer MCs ist das ungewöhnliche Zusammentreffen zu verdanken. Henrik verlangte ein ganzes Orchester als Begleitmusiker und vertraute darauf, dass der gewöhnlich volle Terminkalender derselben verhindern würde, dass er das Versprechen auf ein weiteres Konzert einlösen müsste. Doch der FM4-Booker war hartnäckiger als gedacht.

Trotz der sportlichen eineinhalb Probetage fanden Klassik und die Beats der Maschinen von Quasi Modo alias Sascha Klammt nach wenigen Takten zu einer knapp 70köpfigen Instrumenten-Einheit zusammen. In feudalen Ledersesseln und prächtiger Akustik konnte das Publikum zahlreiche Raritäten der Kinderzimmer Productions und Stücke aus Textors Singer/Songwriter Repertoire genießen. Dank Unterstützung von Oliver Prechtl (in Wien am Flügel) gab’s statt den gewohnten Setlist Zettel aus der Hosentasche eine eigens angefertigte Partitur in Spiralbindung. Mit einem Orchester kann man schließlich keine ad hock Jam Session veranstalten. Oder doch?

 
„Wie mutig seid ihr?“

wollte Textor von den Wiener Musikern wissen. Dank nicht enden wollenden Standing Ovations waren die geschriebenen Noten ausgegangen. Jürgen Schlachter am Schlagzeug gab den Rhythmus vor und auf Henriks Zeichen setzte das Orchester „ein aggressives D“ dagegen. Bei solchen Experimenten sollte man allerdings auch als Rapper nicht allzu viel rumfuchteln ;-) Der Uno war am Ende auf jeden Fall richtig abgefahren.


Wir, das Publikum hatten einen Riesenspaß. Nicht wenige sind extra nach Wien gereist. Man kam sich teilweise vor wie auf einem Klassentreffen der Ulmer HipHop Koalition - ein Zusammenschluss der Mitte der 90er u. a. auf Radio free FM die erste Hip Hop Hour bestritt in der natürlich auch die Kizis, wie sie hierzulande genannt werden, immer gern gesehene Gäste waren.

Kaum zu glauben, dass man nirgendwo in den etablierten Medien der U-Stadt irgendein Wort über dieses einmalige Ereignis erfährt. Wir kennen das ja, Ulm ist Provinz ;-) im positiven wie im negativen Sinn. Und schließlich, wozu braucht man die Presse, denn hier „weiß jeder, was jeder macht“.

Und für alle, die es noch nicht wissen, geben wir es hier bekannt: Wir sind im Zeitalter nach Kinderzimmer angekommen und uns bleibt noch ein letzte Chance das Ereignis zumindest akustisch und auch ein bisschen visuell mitzuerleben.

Im Text:
Trishes Konzertkritik

Im Interview:
Tribe Vibes

oder am Donnerstag 12. August von 19 bis 22 Uhr in der Homebase auf FM4